“Don’t blame the messenger for the message”? Wie die EU-Diplomatie den Weg für einen US-Angriff auf Iran ebnet - Dr. Ali Fathollah-Nejad • Official Website
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“Don’t blame the messenger for the message”? Wie die EU-Diplomatie den Weg für einen US-Angriff auf Iran ebnet

REAKTIONEN

»Sehr gut« (Andreas Zumach, UN-Korrespondent)

Im brisanten Sommer 2006, als die USA im israelischen Bombenhagel auf die zivilen Einrichtungen des Libanon die “Geburtswehen” der Neuordnung des Broader Middle East zu erhorchen glaubten und der “Atomstreit” zwischen dem Westen und Iran in eine unheilvolle Eskalationsspirale gelangt war, empfing man in Teheran hohen Besuch. Der ehemalige Bundesaußenminister Joschka Fischer reiste in jene Hauptstadt, die nun als “Zentralbänker des internationalen Terrorismus” das Böse in der Welt in Gestalt einer islamo-faschistischen Nuklearbedrohung zu monopolisieren schien. Als einer der vormaligen Hauptfiguren des Verhandlungsprozesses zwischen den EU3 (Großbritannien, Frankreich und Deutschland) und Iran über das Atomprogramm des Letzteren, sprach Fischer am 1. August am Iranian Center for Strategic Research zum Stand und zur Zukunft europäisch-iranischer Beziehungen.[1] Der Tenor seiner Rede war: Entweder ihr Iraner realisiert die unmittelbare Gefahr, der ihr euch als nächster Station auf der US-amerikanischen ‚Regime-Change‘-Agenda gegenüberseht, und akzeptiert ohne Wenn und Aber das auf dem Tisch liegende Angebot der fünf Ständigen Sicherheitsratsmitglieder plus Deutschlands (P5+1)[2] oder aber der Anbruch einer großen Katastrophe wird nicht abzuwenden sein. Was dem angehenden Princeton-Gastprofessor jedoch ganz besonders am Herzen zu liegen schien, war die Betonung, dass die iranischen Zuhörer doch bitte den “Boten nicht die Schuld für die Botschaft” geben sollten (“[…] and, please, don’t blame the messenger for the message”). Kann jedoch der Eindruck, den Fischer von der europäischen Position als einer im Grunde genommen gutmütigen Verhandlungspartei erwecken wollte, der Analyse der europäischen Verhandlungsstrategie gegenüber Teheran Stand halten?

Diplomatie und Regime Change? All options are on the table!

Als in den Folgemonaten der angelsächsischen Invasion des Irak sich das Chaos der “Befreiung” abzeichnete, erhöhten die in Washington an die Schaltzentralen der Macht gelangten US-Neokonservativen den rhetorischen Druck auf Teheran und sprachen in immer kürzeren Abständen ganz unverblümt über ihr nächstes ‚Regime Change‘-Unterfangen. Angebliche Beweise über die militärische Ausrichtung des iranischen Nuklearprogramms, welche die Bush-Regierung aus dubiosen Zirkeln dankend aufnahm, dienten der aggressiv hervorgebrachten Bezichtigung, dass das Land durch sein Atomprogramm die gesamte internationale Sicherheit ernsthaft bedrohe. So wurde auf Restspuren von hochangereichertem Uran in einer iranischen Anlage hingewiesen, das – wenn im industriellen Maßstab hergestellt – die Entwicklung von Nuklearwaffen ermöglichen würde. Diese vom Weißen Haus gern emporgerichtete Speerspitze wurde jedoch alsbald entschärft. Denn die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) bestätigte die iranischen Beteuerungen hierzu, nach denen es sich um eine Kontamination von im Ausland erworbenen Geräten handele.[3] An der von langer Hand geplanten, in zahlreichen politischen und militärischen Strategiepapieren der US-Regierung sorgsam vorbereiteten, “militärischen Lösung” des geostrategischen Schwergewichts Iran in der fossilen Kernregion der Welt, deren Kontrolle die Amerikaner ihr nationales, vitales Interesse zu betrachten pflegen, änderte dies jedoch nichts. Prompt wurde auf die unheilvollen Folgen einer Appeasement-Politik gegenüber den zum islamistischen Hitler aufgebauschten iranischen Präsidenten Ahmadinedschad und seine in Nazijargon gepackten Äußerungen hingewiesen.[4] So konnten sich hochrangige israelische und amerikanische Politiker bei ihrer Angriffskriegs-Rhetorik gegen Iran als einzig vertrauenswürdige Möglichkeit die sturen Mullahs zurechtzuweisen, mit einem größeren Halt in den öffentlichen Meinungen rechnen.

Als jedoch der “Sumpf” (quagmire) der Irak-Besetzung den Gang nach Teheran zu erschweren schien, gab man in Washington bekannt, dass man das Problem des iranischen Atomgramms zunächst der Diplomatie übergeben wolle. Ein Schachzug, von dem man sich ein größeres europäisches Wohlwollen für die eigenen Pläne erhofft. Dennoch blieben die USA ihrem Konfrontationskurs gegenüber Teheran treu und verweigerten ihrerseits Gespräche zu führen. Zur selben Zeit sogar – im Frühjahr 2003 – ignorierten die US-Neokonservativen ein sich historisch anmutendes umfangreiches Verhandlungsangebot der iranischen Regierung – eine einmalige Gelegenheit, über die vor noch nicht allzu langer Zeit erst berichtet wurde. Darin zeigte sich Iran in allen für die USA relevanten Gebiete konzessionsbereit: vollkommene Transparenz in Sachen Massenvernichtungswaffen, Stabilisierung des Irak, Unterstützung beim Antiterror-Kampf, Einstellung der Unterstützung missliebiger Gruppen sowie Einwilligung der Zweistaatenlösung Israel-Palästina.[5] Um dennoch den Anschein zu wahren, dass man an einer diplomatischen Lösung interessiert sei, wurden nun die Diplomaten der EU3 losgesandt, um mit Teheran einen Deal auszuhandeln. In der Hoffnung einen US-Waffengang gegen Iran aus eigenen, v.a. wirtschaftlichen, Interessen abwehren zu können, gewiss aber auch, um diesmal den USA nicht allein das Feld zu überlassen, begaben sich die Europäer unter dem die Gesprächsatmosphäre nicht unbedingt dienlichen Washingtoner ‚All options are on the table‘-Formel nach Teheran.

Diplomatische Provokationen im Dienste der neokonservativen Eskalationsstrategie

Während die EU-Troika stets – wie auch Fischer in seiner o.g. Rede – beteuert, Iran das Recht auf die zivile Nutzung der Kernenergie gewähren zu wollen, wurde Teheran seit Anfang der Verhandlungen aufgefordert, die Anreicherung von Uran aufzugeben. Letztere, so die einhellige Meinung von Experten, befinde sich ausschließlich auf Forschungsniveau und ist als solche weit davon entfernt, waffenfähiges Uran herzustellen. Trotz der jüngsten iranischen Ankündigung Tausende von Zentrifugen in Betrieb nehmen zu wollen, darf als sicher gelten, dass Iran noch weit davon entfernt ist den nuklearen Brennstoffkreislauf zu schließen, geschweige denn die Bombe bauen zu können.[6]

Sowohl im Teheraner[7] (Oktober 2003) als auch Pariser Abkommen[8] (November 2004), den ersten beiden Absichtserklärungen zwischen beiden Parteien, hatte Iran jedoch eingewilligt, sein durch den nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NVV) verbrieftes Recht auf die Entwicklung eines zivilen Atomprogrammes “freiwillig auszusetzen”. Zudem hatte man sich durchgerungen das NVV-Zusatzprotokoll, welches unangekündigte Inspektionen seitens der IAEO vorsieht, zu akzeptieren. All das sollte als “vertrauensbildende Maßnahme” zu verstehen sein, die für die Dauer eines für beide Parteien befriedigenden Verhandlungsprozesses über langfristige Arrangements Bestand haben solle.

Nun waren auch die Europäer gefragt, Iran im Gegenzug ein adäquates Angebot zu unterbreiten. In Teheran erwartete man derweil Abhilfe bzw. Unterstützung angesichts der äußeren Bedrohung des Landes. Allein 200.000 amerikanische und mit ihnen alliierte Truppen zählte man rund um das iranische Territorium herum. So erwartete man von Washingtons europäischen Bündnispartnern, welche sich ja vorwiegend gegen die Irak-Okkupation positioniert hatten, die regelrechte Einkreisung des Iran, wenn nicht aufzuheben, so doch wenigstens zu entschärfen. Zu dieser Zeit bescheinigte die IAEO dem Iran zudem volle Zusammenarbeit und keinerlei Anzeichen für ein militärisches Atomprogramm.[9] Insbesondere Letzteres sollte sich bis zum heutigen Tag nicht ändern.

Die EU3 kündigten an, dem 70-Millionen-Land ein äußerst attraktives Verhandlungspaket geschnürt zu haben, welche umfangreiche Kooperationen auf verschiedensten Gebieten beinhalte. Als schließlich das Angebot den Iran erreichte, reagierte die dortige dienstälteste Diplomatie der Welt in hohem Maße empört. Man sprach sogar von einem “Witz” und der “Beleidigung des iranischen Volkes”. War die Wortwahl nun als bewusst inszeniertes machtpolitisches Manöver zu verstehen, um eine auf innenpolitischen Terraingewinn ausgerichtete Blockadehaltung einzunehmen? Oder gab es handfeste Gründe für Teherans Empfinden in quasi-kolonialistische Gewässer geraten zu sein?

In der Tat wurden dem Iran umfangreiche ökonomische Kooperationen in Aussicht gestellt, was jedoch angesichts der enormen Attraktivität des dortigen Marktes für die europäische Wirtschaft kaum verwundern mag. Da zudem viele solcher Vorhaben zumindest bereits in Planung waren, konnte man in Teheran wohl zu recht kein wesentliches Entgegenkommen oder gar Zugeständnis erkennen. Die zentrale Frage nach dem iranischen Sicherheitsdilemma, über die sich auch die Europäer völlig im Klaren gewesen sein dürften, wurde indes vollkommen ignoriert. Vor dem Hintergrund der Afghanistan- und Irak-Okkupationen konnte die harsche “Demagogie” (Z. Brzezinski)[10] aus Washington und zunehmend auch aus Tel Aviv wohl kaum als folgenlos abgetan werden. Stattdessen las man in Teheran den eher abstrus anmutenden europäischen Eid, dass weder die französischen noch britischen Atomwaffen gegen Iran gerichtet seien. Dabei war allen klar, worum es im Kern ging: Amerikanische Sicherheitsgarantien gegenüber Iran waren dringend geboten. Teherans Ablehnung war also durchaus vorauszusehen.

So begann man im Iran, enttäuscht über den unbefriedigenden Verhandlungsverlauf, vereinzelt damit, Anreicherungsaktivitäten wieder aufzunehmen. Dieser Akt, der vollständig durch die zuvor abgeschlossenen Abkommen gedeckt war, wurde jedoch in Europa unverzüglich als iranischer Vertragsbruch denunziert. In der europäischen Politik, Medien und auch breiten Öffentlichkeit schob man das vorläufige Scheitern der Verhandlungen dem Iran in die Schuhe. Den Eingeweihten aber schien durchaus bewusst, woran es tatsächlich gemangelt hatte. In Deutschland riefen dementsprechend der CDU-Politiker Ruprecht Polenz (Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages) und der Nah- und Mittelost-Experte Volker Perthes (Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik) dazu auf, mehr Zuckerbrot zu offerieren. Realisiert hatte man auch, dass ohne Washingtons Verhandlungsinput die Diplomatie zum Scheitern verurteilt war.[11] Wie die Nachrichtenagentur Reuters Ende Juli 2005 einen EU-Diplomaten zitierte, war das auf dem Tisch liegende Angebot an den Iran ein “in viel Geschenkpapier gehülltes recht leeres Paket”. Daran änderte sich auch in den darauf folgenden Monaten nichts. So blieb der Verhandlungsprozess in der Sackgasse; eine vorzügliche Ausgangssituation für das neokonservative Eskalationsszenario.

Die Amerikanisierung der europäischen Diplomatie

Die Europäer indes hatten sich immer mehr der amerikanischen Haltung angenähert, indem auch sie nun forderten, dass der Iran seine Urananreicherungsaktivitäten vollständig aufgeben müsse, um überhaupt an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Zudem übernahm man die amerikanische Überzeugung, dass der UN-Sicherheitsrat sich des Falles Iran in Form von Sanktionen annehmen müsse. Auch die Gewissheit, dass ‚alle Optionen auf dem Tisch‘ belassen werden müssten, um der Diplomatie mehr Nachdruck zu verleihen, hatte man derweil trotz verbaler Ablehnung einer ‚militärischen Lösung‘ bereitwillig inkorporiert.

Im Rahmen der westlichen Zuckerbrot-und-Peitsche-Strategie war für dessen zweiten Teil ohnehin in Washington zur Genüge gesorgt.[12] Dort suchte man nach Wegen, den Konflikt angesichts der ins Stocken geratenen Diplomatie weiter zuzuspitzen.[13] Nachdem das transatlantische Bündnis noch im Januar 2006 einem verschwiegenen Angebot seitens des Iran, das u.a. eine mindestens zweijährige Suspendierung des Atomprogramms im Austausch für die Sicherheitsthematik berücksichtigende Gespräche, keine Beachtung schenkte,[14] klinkten sich die USA plötzlich doch in den diplomatischen Prozess ein. Gemeinsam mit Russland und China, die bislang jegliche Verschärfung des Konflikts abgelehnt hatten, sowie den EU3, legte man nun dem Iran das alte Angebot in einem neuen ‚internationalen‘ Gewand vor und erhöhte somit den Druck auf Teheran sich endlich den Forderungen zu beugen. Während Teheran Gesprächsbereitschaft signalisierte, es jedoch weiterhin ablehnte mit dem Einfrieren seines mittlerweile wieder aufgenommenen Atomforschungsprogrammes in Vorleistung zu treten, erhöhte Washington weiter den Druck auf Teheran. Das lang ersehnte Ziel, Irans Atomakte bei der IAEO an den UN-Sicherheitsrat zu übergeben, war Anfang Februar 2006 durch immensen “politischen Druck”[15] der Amerikaner erreicht worden, sodass der Weg für Sanktionen bereitet war.[16]

Im Frühjahr 2006 war die Arroganz der einzig verbliebenen Supermacht unverkennbar. Das an Hypokrisie nicht zu überbietende, das internationale Recht ignorierende, Nuklear-Abkommen zwischen Washington und Neu-Delhi war ein weiterer gewichtiger Beweis amerikanischer Doppelstandards. Zudem markierte die Neuausgabe der amerikanischen Nationalen Sicherheitsstrategie (NSS) Iran klar und deutlich als nächstes Ziel,[17] derweil Washington 75 Mio. US-Dollar zur Verfügung stellte, um die ‚Demokratie im Iran zu fördern‘.[18] Bei einer Senatsanhörung kündigte Außenministerin Rice unterdessen an: “Wir sehen uns wohl keiner größeren Herausforderung seitens eines einzigen Landes gegenüber als dem Iran.” Somit öffnete sie ganz im Sinne der neu aufgelegten NSS Tür und Tor für die Anwendung eines Präventivschlages gegen Iran, für den auch nukleare Optionen offen angedacht werden.[19]

In solch einer heißen Phase regierte derweil ein unsägliches Schweigen in den Hauptstädten Europas. Dort war man damit beschäftigt einen Sanktionstext zur Vorlage für den UN-Sicherheitsrat zu entwerfen. Am Vortag der Teheraner Fischer-Rede war es dann auch soweit: Am 31. Juli 2006 wurde Iran mit der Resolution 1696[20] aufgefordert innerhalb eines Monats all seine Nukleartätigkeiten einzustellen. Ganz im Sinne der Eskalationslogik war diese Forderung unter den gegebenen Umständen kaum dafür geeignet, den in eine absehbare Sackgasse gelangten Verhandlungsprozess neu zu beleben. Ganz im Gegenteil sollte ein erster Grundstein für eine gezielt betriebene Eskalationsdynamik gelegt werden – vollkommen den Vorgaben der neokonservativen Drehbücher entsprechend.

Wenn der europäische Bote zum amerikanischen Botschafter wird

Auf den Tag genau ein Jahr nach der Amtseinführung des neuen iranischen Präsidenten Ahmadinedschad, sprach Fischer vor Experten der iranischen Außen- und Sicherheitspolitik in Teheran. Zu Anfang seiner Rede betonte er nicht ganz unmissverständlich, dass er zwar nicht in “offizieller Funktion” auftrete, aber dennoch als jemand, der am EU3-Iran-Verhandlungsprozess aktiv beteiligt war. Er stellte klar, dass Teheran nicht gut beraten sei, das ihm angebotene Vorschlagspaket abzulehnen.[21] Während Fischer im Falle iranischer Zustimmung die Normalisierung der Beziehungen in Aussicht stellte, machte er nun sehr deutlich, was das Land zu erwarten habe, würde seine Wahl sich nicht mit den westlichen Wünschen decken: “Eine Ablehnung des gegenwärtigen Angebots wird zu einer Eskalation des Konflikts führen […].” Obgleich die Großmächte bezüglich der Frage eines Irak-Krieges gespalten waren, würde die Frage nach “Irans nuklearen Ambitionen die internationale Gemeinschaft vollkommen einen”.

So resümierte einer der führenden transatlantischen Außenpolitiker das Hauptaugenmerk seiner Iran-Reise wie folgt: “Wir befinden uns am Scheideweg, und die Führung des Iran muss eine Entscheidung treffen, vielleicht eine von historischen Ausmaßen. Kooperation oder Konfrontation sind die Alternativen, und, bitte, geben Sie dem Boten nicht die Schuld für die Botschaft. Es liegt ein Angebot auf dem Tisch, das nicht ausgeschlagen werden darf”. Er hoffe, dass der Iran die “Gelegenheit für gemeinsamen Fortschritt in unseren Beziehungen und für Frieden” ergreife. In diesem Sinne stellte er die Entwicklung eines regionalen Sicherheitssystems in Aussicht, das Länder des Mittleren Ostens umfassen solle. Ein politisches Projekt von höchster Bedeutsamkeit, das jedoch bislang über Lippenbekenntnisse nicht herauskam.

Ein Iran-Krieg ist zum Greifen nahe

Fischer betonte zugleich, dass man es nicht mit einem “Streit über Rechte, sondern über Vertrauen” zu tun habe. Ob jedoch die iranische Seite den ausländischen Großmächten nun angesichts der ‚Friss-oder-stirb‘-Option mehr Vertrauen entgegenbringen kann, ist mehr als fraglich. Genau dieser Vertrauensverlust, insbesondere der europäischen Verhandlungspartner, scheint sich als gravierend herauszustellen. Der aktive europäische Beitrag an der Verhängung von zwei weiteren Sanktionen (Resolution 1737 vom 23. Dezember 2006 sowie Resolution 1747 vom 24. März 2007) hat das Vertrauen in die Diplomatie des Alten Kontinents, welche für sich beansprucht eine friedliche Lösung des Konfliktes anzustreben, erheblich unterminiert.

Indes befindet man sich schon längst in einem Krieg. Im September 2006 erklärte der pensionierte US-Luftwaffenoberst Sam Gardiner gegenüber CNN, dass sein Land seit mindestens 18 Monaten militärische Operationen im Iran durchführe.[22] In der Region des Persischen Golfs befinden sich bereits drei große US-Kampfverbände.[23] Solch ein groß angelegter Aufmarsch war zuletzt am Vorabend der Irak-Invasion aufgeboten worden. Es liegt nun in erster Linie an dem inneramerikanischen Kampf zwischen den an der Macht stehenden neokonservativen Kriegsbefürworter und jenen sog. Realisten, welche in einem Iran-Krieg den Vorboten für das Ende der weltweiten amerikanischen Vorherrschaft sehen.[24]

Ein klares Nein aus den restlichen Hauptstädten könnte aber auch ein erhebliches politisches Hindernis für einen geplanten Nuklearangriff auf Iran darstellen. Während einiges dafür sprich, dass sich Moskau insgeheim strategische Vorteile in der zu erwartenden aufreibenden Konfrontation zwischen Iran und den USA verspricht, ist von der Bundeskanzlerin wohl kaum eine Distanzierung gegenüber ihren amerikanischen Freunden zu erwarten.[25] Jenseits des Rheins zeichnet sich indes wohl ein deutlicher pro-atlantischer Kurs ab. Der neue französische Präsident Nicolas Sarkozy, dessen “niederschmetternder Sieg” (L’éclatante victoire)[26] laut Le Monde-Autor Laurent Greilsammer zentral in dem Werben für einen “französischen Traum” (rêve français) zu verstehen ist, erhält seine besondere Segnung dadurch, dass der erste Glückwunsch entgegen der sonstigen politischen Praxis persönlich von US-Präsident Bush erfolgte. Am gleichen Wahlabend noch richtet Sarkozy, just nachdem er ein zweideutiges Bekenntnis zu Europa äußert, einen “Appel an unsere amerikanischen Freunde, die wissen sollen, dass sie auf unsere Freundschaft zählen können (Jubel!), welche sich in den Tragödien der Geschichte geschmiedet hat, denen wir gemeinsam gegenüberstanden. Ich will ihnen sagen, dass Frankreich immer an ihrer Seite stehen wird, wann immer sie es brauchen. Ich will ihnen auch sagen, dass Freundschaft auch bedeutet, dass man akzeptiert, dass seine Freunde anders denken (Jubel!).” Inwieweit der in den USA als Neokonservativer Gefeierte, seinen amerikanischen “Freunden” den Vorzug gegenüber den europäischen “Partnern” erteilt, bleibt abzuwarten. Allerdings ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass der mit Bush so vertraute Sarkozy sich eines Krieges gegen Iran entgegenstemmen würde. Während in Berlin ganze 72% der Exil-Franzosen für die sozialistische Kontrahentin Ségolène Royal gestimmt haben,[27] hegt die dort regierende Kanzlerin unbeirrt Sympathie für den Pariser Wahlausgang. Eine Entamerikanisierung der europäischen Diplomatie ist also nicht abzusehen.

Nichtsdestotrotz sollten die Europäer die folgende Bemerkung Fischers in Bezug auf weitere diplomatische Schritte beherzt aufnehmen, um eine globale Katastrophe, die ein Iran-Krieg unweigerlich heraufbeschwören würde,[28] noch abzuwehren: “Für Iran war der Mangel an Respekt und Anerkennung gegenüber seiner Unabhängigkeit, seiner sehr alten Zivilisation, seines strategischen Potentials sowie das Talent und die Fähigkeiten seines Volkes während seiner ganzen modernen Geschichte besonders demütigend und gewiss kränkend.”[29] Weder Fischer noch die EU3 können angesichts der von ihnen mitverantworteten Eskalationsdiplomatie ihre Hände in Unschuld waschen. Als Ergebnis dessen gilt nach wie vor, was der UNO-Korrespondent Andreas Zumach Ende Februar 2007 anlässlich der Beendigung der US-Militärvorbereitungen für einen Iran-Krieg diagnostizierte: “Der Krieg könnte morgen früh um fünf beginnen, und wir erfuhren davon um 6 Uhr aus den Nachrichten.”[30]

Anmerkungen

[1] Alle Zitate sind, in eigener Übersetzung, in der Folge dem englischsprachigen Abdruck der Rede entnommen; siehe Joschka Fischer: Iran: High Stakes, Dissent Magazine, Winter 2007,

[2] Die von den EU3 ausgearbeiteten Entwurfstexte sind unter http://www.acronym.org.uk/docs/0606/doc01.htm zu finden.

[3] Vgl. Andrew Koch: Iran uranium source revealed, Jane’s Defence Weekly, 10.08.2004 und Gero von Randow: Atomdeal gesucht, in: Die Zeit, Nr. 36, 26.08.2004.

[4] Mehr zu Ahmadinedschads ohnehin äußerst deplatzierten, im Übrigen auf die Sympathie der arabischen Massen zielenden, Äußerungen, siehe Gruppe Arbeiterfotografie: Äußerungen von Ahmadinedschad zum Holocaust verfälscht: Wie Medien den Iran-Krieg vorbereiten, NRhZ-Online (Neue Rheinische Zeitung), 12.04.2006; Jonathan Steele: If Iran is ready to talk, the US must do so unconditionally, The Guardian, 02.06.2006; sowie Ethan Bronner: Just How Far Did They Go These Words Against Israel?, The New York Times, 11.06.2006.

[5] Das Angebot kann unter http://www.washingtonpost.com/wp-srv/world/documents/us_iran_1roadmap.pd… eingesehen werden. Auch siehe v.a. Gareth Porter: Burnt Offering. How a 2003 secret overture from Tehran might have led to a deal on IranÂ’s nuclear capacity-if the Bush administration hadn’t rebuffed it, in: The American Prospect, Jg. 17, Nr. 6, Juni 2006, S. 20-25. Vgl. auch Ali Fathollah-Nejad: Iran in the Eye of Storm, www.uni-muenster.de/PeaCon/psr, Mai 2007, S. 28-31 (Abschnitt über “The Neocons in the Corridor of Power: The Fervent Drive for Regime Change Spurns Iran’s Grand Bargain Offer”).

[6] iran-report, Heinrich-Böll-Stiftung, Nr. 05/2007, S. 12.

[7] Zum Teheraner Abkommen, siehe Iran Ministry of Foreign Affairs: Statement by the Iranian Government and visiting EU Foreign Ministers, 21.10.2003.

[8] Siehe International Atomic Energy Agency: Communication dated 26 November 2004 received from the Permanent Representatives of France, Germany, the Islamic Republic of Iran and the United Kingdom concerning the agreement signed in Paris on 15 November 2004, Information Circular, INFCIRC/637, 26.11.2004.

[9] Vgl. IAEA Board of Governors: Implementation of the NPT Safeguards Agreement in the Islamic Republic of Iran, GOV/2003/75, Bericht des Generaldirektors, 10.11.2003, sowie ibid.: Implementation of the NPT Safeguards Agreement in the Islamic Republic of Iran, GOV/2004/83, Bericht des Generaldirektors, 15.11.2004.

[10] stern.de: “Das sind doch paranoide Slogans”, Interview mit Zbigniew Brzezinski von Katja Gloger, 18.11.2004.

[11] Vgl. Ruprecht Polenz: Wo bleibt das Zuckerbrot? Wer Iran vom Bau der Bombe abhalten will, muß etwas zu bieten haben, Die Welt, 27.11.2004; sowie Volker Perthes: The EU Needs a U.S. Input on Iran, in: European Affairs, Jg. 6, Nr. 4 (Herbst 2005), S. 17-20.

[12] Für eine Veranschaulichung der deutschen Iran-Politik, siehe die Bundestagsplenardebatte am 01.03.2007 (Wahlperiode 16, Sitzungsnr. 82 ).

[13] So beispielsweise torpedierte man den russischen Vorschlag, der von allen Verhandlungsparteien als vielversprechend eingestuft wurde. Dazu Mohssen Massarrat: Der Iran und Europas Versagen, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Mai 2006, S. 544-547, hier 544-545.

[14] Vgl. Kaveh L. Afrasiabi: Sideshows on Iran’s frogmarch to the UN, Asia Times, 07.02.2006.

[15] Dazu Siddharth Varadarajan: India’s anti-Iran votes were coerced, says former U.S. official. ‘New Delhi should walk away from Iran pipeline project’, The Hindu, 16.02.2007.

[16] Zur Entscheidung des IAEO-Gouverneursrats, siehe IAEA Board of Governors, Implementation of the NPT Safeguards Agreement in the Islamic Republic of Iran, GOV/2006/14, Resolution verabschiedet am 04.02.2006.

[17] The White House: The National Security Strategy of the United States of America, Washington, März 2006.

[18] Zu Letzterem, siehe Peter Baker/Glenn Kessler: U.S. Campaign Is Aimed at Iran’s Leaders, Washington Post, 13.03.2006, S. A01,.

[19] Dazu Jorge Hirsch: America’s Nuclear Ticking Bomb, The San Diego Union-Tribune, 03.01.2006; sowie die Doctrine for Joint Nuclear Operations aus dem Jahr 2006.

[20] Zu finden unter http://www.un.org/News/Press/docs/2006/sc8792.doc.htm.

[21] Demzufolge solle dem Land Zugang zur Technologie von modernen Leichtwasserreaktoren, eine “internationale Garantie eines permanenten Zugangs zu Nuklearbrennstoff” sowie internationale Zusammenarbeit im Bereich der Nuklearforschung gewährt werden. Während allen voran die westliche Nuklearindustrie sich nichts Sehnlicheres wünschen würde, als dass Iran diesem Deal zustimme, wurden Teherans Bedenken, eine vom Ausland unabhängige Kernenergieversorgung zu unterhalten, keinesfalls Rechnung getragen.

[22] CNN: Situation Room, Interview mit Sam Gardiner von Wolf Blitzer, 18.09.2006, Video unter http://www.youtube.com/watch?v=NcSK809U3Qs; Transskript unter http://thinkprogress.org/col-sam-gardiner-on-cnn-91806/.

[23] Vgl. Michel Chossudovsky: ‘Theater Iran Near Term’ (TIRANNT), Global Research, 21.02.2007 (revidiert am 23.02.), sowie ibid.: The War on Iran, Global Research, 01.04.2007.

[24] Ali Fathollah-Nejad: Teetering on the Brink of Disaster: The NeoconsÂ’ Decision to Bomb Iran, Global Research, 09.04.2007.

[25] Zu Moskaus Rolle, siehe Ali Fathollah-Nejad: Russian Roulette and the Iran War: Ulterior motives of an Iran War profiteer-and its risks, Global Research, 21.04.2007.

[26] Titel der konservativen französischen Tageszeitung Le Figaro vom 07.05.2007, dem Folgetag der Wahl Sarkozys.

[27] Siehe Wahlsendung von TV5 Monde am Abend des 2. Wahlganges am 06.05.2006.

[28] Über die immense globale Bedrohungslage bezüglich eines amerikanischen und/oder israelischen Nuklearkrieges, siehe Leonid Ivashov: Iran: the Threat of a Nuclear War, Strategic Culture Foundation online magazine, 30.03.2007, http://en.fondsk.ru/article.php?id=647.

[29] J. Fischer, idem.

[30] Andreas Zumach: Für den Irankrieg ist alles vorbereitet, taz, 25.02.2007, S. 3.

QUELLE

Ali Fathollah-Nejad (2007) Don’t blame the messenger for the message“? Wie die EU-Diplomatie den Weg für einen US-Angriff auf Iran ebnet, AUSDRUCK, Tübingen: Informationsstelle Militarisierung, Juni, S. 3–6;

ebenfalls erschienen auf Linksnet, 29.05. | in: Informationsstelle Militarisierung e.V. (Hg.), Studien zur Militarisierung EUropas 28/2007, 7 Seiten.